AlainAudet

Saison

BirdLife Schweiz berichtet hier regelmässig über Naturphänomene, die zu der angegebenen Jahreszeit auch selber beobachtet werden können. Weitere solche Natur-Beobachtungstipps finden Sie immer in der Zeitschrift Ornis.
  


Dezember / Januar
  

Haare aus Eis

animal-1997975_1920.jpgWie von Zauberhand haben sich über Nacht auf abgestorbenen Laubholzästen filigrane Eisstrukturen gebildet. Sie wachsen wie weisse, lockige Haare zwischen aufgerissener Rinde heraus – es sieht aus wie in einem Märchenwald. «Haareis» heisst das seltene und faszinierende Naturschauspiel. Damit es zustande kommt, müssen die Voraussetzungen perfekt stimmen. Meist tritt das geheimnisvolle Phänomen nach Regen auf, wenn die Luftfeuchtigkeit hoch ist und die Temperatur über Nacht knapp unter null Grad fällt. Anders als bei Raureif wachsen die Eisstrukturen nicht an der Spitze, sondern – wie Haare – am Grund aus dem Holz heraus. Verursacher ist vermutlich die Rosagetönte Gallertkruste (Exidiopsis effusa), ein winteraktiver Pilz, der auf abgestorbenen Laubholzästen wächst. Durch den Stoffwechsel dieses Pilzes entstehen Gase, die das Wasser aus dem feuchten Holz verdrängen. Möglicherweise sorgen chemische Stoffe des Pilzes dafür, dass das austretende Wasser nicht einfach flächig anfriert, sondern sich in feinsten Fäden auskristallisiert. Hinter dem Phänomen verbergen sich diverse chemische und physikalische Rätsel, die sich bis heute nicht restlos lüften liessen. (Bild: Bernhard Malorny/fotocommunity.de)
 

Zänkische Rotkehlchen

Neugierig und scheinbar ohne Scheu kommen uns Rotkehlchen im Winterhalbjahr erfreulich nah. Jetzt ist auch ihr melancholisch perlender Gesang wieder zu hören – ein Ausdruck ihres harten Überlebenskampfs. Die untereinander so zänkischen Rotkehlchen grenzen nämlich auch im Winter ihre Reviere gegenüber ihren Artgenossen ab. Kommt hinzu, dass im Winter die meisten Rotkehlchen bei uns nur zu Gast sind. Denn während über 90 Prozent «unserer» Rotkehlchen in den Süden ziehen, übernehmen hier Artgenossen aus dem Norden die Stellung. Die nordischen Wintergäste stammen oft aus dünn besiedelten Gebieten. Sie sind vermutlich auch deshalb weniger scheu, weil ihnen schlechte Erfahrungen mit Menschen fehlen.(Bild: jagdi/pixabay.com)
  

Spanische Wegschnecken im Winter

Die eingewanderte Spanische Wegschnecke erobert erfolgreich Gärten und Felder – zum Schrecken von deren Besitzern. Viele hegen die Hoffnung, dass über den Winter der eine oder andere Schneck erfrieren möge. Die gute Nachricht vorweg: Spanische Wegschnecken können sich nur einmal in ihrem Leben fortpflanzen und entwickeln nur eine Generation pro Jahr. Erfolgreich verpaarte Schnecken sterben Ende Jahr; unverpaarte können den Winter überdauern. Die schlechte Nachricht: Jede Schnecke – es sind ja Zwitter – legt nach der Paarung 200 bis 400 Eier ab. Oft schlüpfen die etwa ein Zentimeter kleinen Babyschnecken noch im Herbst und verkriechen sich in der Erde oder unter der Laubstreu. Manchmal überwintern sie auch als Ei. Sie sind überraschend zäh und ertragen Temperaturen von bis zu -2 °C. Die nächste Schneckengeneration ist also gesichert; ab Februar wird sie in den Gärten schlemmen. (Bild: Insubria/pixabay.com)
  

Kühle Füsse, warmes Herz

animal-1997975_1920.jpgWarum bekommen eigent­lich Wasser­vögel keine schmerz­lich kalten Füsse? Und wieso schmilzt ihnen das Eis nicht unter den Füssen weg? Die Antwort liegt in einer genialen Gegenstromanlage in den Beinen der Vögel. Das Vogelherz pumpt das rund 40 °C warme Blut über die Arterien in den ganzen Körper. Über die Beinarterien fliesst das sauerstoffreiche, warme Blut in die Füsse; in den Beinvenen fliesst das sauerstoffarme, ausgekühlte Blut zum Herzen zurück. Da diese beiden Gefässe direkt nebeneinander liegen und das Blut je in entgegengesetzter Richtung fliesst, kann zwischen den beiden Blutgefässen maximal viel Wärme ausgetauscht werden. Das arterielle Blut kühlt sich am venösen Blut von rund 40 °C bis auf etwa 1 °C ab, während sich das venöse Blut am arteriellen Blut wieder aufwärmt, sodass es schliesslich mit fast 40 °C zurück in den Körper kommt. Dieser Wärmeaustausch im sogenannten Wundernetz bringt gleich mehrere Vorteile: Der Körper bleibt warm, da der Wärmeverlust über die Füsse extrem minimiert wird. Die kalten Füsse schmerzen nicht, weil sie stets durchblutet bleiben und damit mit Sauerstoff versorgt sind. Und weil die Füsse unten kalt sind, taut das Eis darunter nicht; so besteht auch keine Gefahr des Anfrierens.


Februar
   

Winter
Zarte Frühlingsboten

Hatten Sie bereits das Glück, einem ersten tanzenden Schmetterling zu begegnen? Vielleicht war es ja sogar ein C-Falter! Dieser eher unscheinbar orange-braun gefärbte Falter überwintert als ausgewachsener Schmetterling und fliegt zusammen mit Zitronenfalter, Tagpfauenauge, Trauermantel sowie Kleinem und Grossem Fuchs als erster durch die Frühlingslüfte. Den Winter über versteckt er sich in schützenden Ritzen und Spalten. Die ersten warmen Sonnenstrahlen erwecken den Tagfalter zu neuem Leben. Bevorzugt fliegt er entlang von sonnigen Hecken und Waldrändern, wo er gerne an blühenden Weidenkätzchen Nektar saugt. Die auffällig gezackten Flügelränder sind im Flug gut zu erkennen. Doch das namengebende kleine weisse C auf der Unterseite des Hinterflügels lässt sich erst entdecken, wenn der Falter ruhig sitzt. Überwinternde C-Falter haben im Unterschied zur Sommergeneration eine auffällig dunkle Flügelunterseite. (Illustration © Fabienne Bertschinger)  
  

Nachwuchs mitten im Winter

animal-1997975_1920.jpgÜber den Winter bleiben Dachse gerne in ihrer Höhle und halten eine Winterruhe. Doch die Ruhe trügt: Jetzt nisten sich beim Weibchen die Eizellen in der Gebärmutter ein und beginnen sich zu entwickeln. Befruchtet wurden sie schon während der Paarungszeit im Frühling zuvor. Zwischen Januar und März kommen durchschnittlich drei Junge zur Welt. Sie werden während der ersten drei Monate gesäugt. Erst mit gut zwei Monaten verlassen die Jungdachse ihren Bau.
Bei den Füchsen hingegen gibt es keine Winter­ruhe. Bereits im Januar herrscht bei ihnen Hoch- bzw. Ranzzeit – das raue Ranzbellen ist weit herum hörbar. Nach einer Tragzeit von knapp zwei Monaten kommen die Jungen im März oder April zur Welt, meist zwischen vier bis sechs an der Zahl. Nach gut vier Wochen verlassen die unternehmungslustigen Jungfüchse die schützende Höhle und machen sich auf ihre erste Erkundungstour in der nächsten Umgebung. (Bild: pixabay/jollymama)  
  

Lungenkraut mit Farbsignal

pulmonaria_obscura_albert_krebs.jpgIn eher feuchten Wäldern findet man unter den meist weiss und gelb blühenden Früh­blühern auch die violett-blauen Farbtupfer des Lungenkrauts (Pulmonaria sp.). Die frischen Blüten sind zuerst rötlich und wechseln innerhalb von wenigen Tagen ihre Farbe über violett zu blau. Der Grund liegt in den Anthocyanen, Pflanzenfarbstoffen, die je nach pH-Wert die Farbe wechseln: von Rot bei saurem Milieu bis Blau bei basischem. Der Milieuwechsel geht einher mit der Bestäubung: Frische, rote Blüten locken mit Nektar Insekten an; bereits bestäubte Blüten stellen ihre Nektarproduktion ein und ändern ihre Farbe. So werden die Insekten effizient zu den richtigen Blüten geleitet. (Bild: Albert Krebs)
  

Flechten – uralte Teamplayer

animal-1997975_1920.jpgIm Winter­wald gibt es kaum ein pulsieren­des Wald­leben, das all unsere Sinne fesselt. So können wir uns bestens auf das unschein­bare Dasein faszinie­render Lebensgemein­schaften einlassen: die Welt der Flechten. In der Schweiz sind rund 1700 verschiedene Flechtenarten bekannt, die überall wachsen, wo keine Gefässpflanzen mehr Fuss fassen können. Etwa die Hälfte der Arten besiedelt Felsen, Gesteine und Totholz; die andere Hälfte finden wir auf lebenden Bäumen oder auf der Erde. Ihre Fähigkeit, in Extremlebensräumen zu überdauern, verdanken Flechten der perfekten Teamarbeit von Pilz und Alge bzw. Cyanobakterien. Der Pilz bestimmt hauptsächlich das Aussehen der Flechte und bietet Schutz, Wasser und Nährstoffe, während die Algen oder die Cyanobakterien Photosynthese betreiben. In dieser Lebensgemeinschaft können Flechten bis weit über tausend Jahre alt werden. So sind in unseren Wäldern uralte Baumriesen für die enorm langsam wachsenden Flechten besonders wertvoll. Die oben abgebildete, extrem seltene Stäbchenflechte (Bactrospora dryina) besiedelt nur alte Eichenstämme, die etwas schief stehen. Hier bildet sie grosse, weisse Überzüge auf der regenabgewandten Seite. (Bild: Christoph Scheidegger)  


März
   

Von Bienenweiden und Weidenkätzchen

animal-1997975_1920.jpgSobald die Weiden­kätz­chen aus ihrer Knospen­schup­pe schlüpfen, zieren sie als fein-wuschelige, silbrig-weisse «Kätzchen» die Weiden­zweige. Den Namen «Kätzchen» erhielten diese Blütenstände wegen ihres weichen Pelzchens. Sie bestehen aus unzähligen Einzelblüten, die sich zwischen den feinen Haaren zunächst gut versteckt halten. Beim Aufblühen erscheinen bei männlichen Kätzchen die gelben Staubblätter, bei weiblichen die grünlichen Fruchtblätter. Weiden sind zweihäusig: Männliche und weibliche Kätzchen sind auf unterschiedlichen Pflanzen zu finden. Nektar bieten beide Kätzchen feil. Als Gegenleistung werden die wertvollen «Bienenweiden» von den Insekten fleissig bestäubt. Weiden wissen jedoch, wie sich sparen lässt: Sie investieren nur in jene Blütenteile, die unbedingt nötig sind. So besitzen die Einzelblüten weder Kelch- noch Kronblätter. Nebst den duftenden Nektardrüsen haben sie lediglich je ein etwa zwei Millimeter kleines Hochblatt, das die uns bekannten Weidenkätzchen-Härchen trägt – ein guter Schutz vor Spätfrösten. Die männlichen Kätzchen fallen nach dem Blühen ab; auf den weiblichen bilden sich Früchte, die später die behaarten Samen entlassen. (Bild: pixabay)
   

Zarter Frühlingsbote

Einem Blümlein gleich gaukelt der leuchtend orange-weisse Aurorafalter (Anthocharis cardamines) durch die Frühlingsluft. Zusammen mit dem Zitronenfalter, Tagpfauenauge und Kleinen Fuchs gehört er zu den ersten dieser zarten Frühlingsboten. Doch während letztere drei jeweils die kalte Jahreszeit als adulte Falter überdauern, überwintert der Aurorafalter als braune Puppe. Er ist somit der Frühschlüpfer unter den Schmetterlingen. Das Männchen ist mit seinen orange eingefärbten Vorderflügeln unverkennbar (Foto); das Weibchen hingegen ist weisslich gefärbt und an der rundlichen Flügelform sowie den fein olivgrün marmorierten Flügel­unterseiten zu erkennen. Es legt seine Eier bevorzugt am lila blühenden Wiesenschaumkraut ab. (Bild: Albert Krebs)
  

Echte Teamplayer

animal-1997975_1920.jpgElstern werden gerne als diebisch bezeichnet und sind als Nesträuber verrufen. Positiv formuliert sind Elstern schlau, anpassungsfähig und flexible Allesfresser. Als sozial lebende Vögel sind sie sehr kommunikativ und haben die Angewohnheit, ihre Umgebung ganz genau zu beobachten. Ihr «diebisches Verhalten» und die weit verbreitete Meinung, dass sie andere Singvögel dezimieren, konnte jedoch wissenschaftlich bisher nicht belegt werden. Sicher ist, dass sich Elstern meist ihr Leben lang treu bleiben. Im Frühling sind sie stets zu zweit unterwegs, kraulen sich zärtlich im Gefieder, schnäbeln, und die Männchen füttern ihre Weibchen. Der aufwändige Nestbau ist echtes Teamwork: Während die Männchen in der Umgebung geeignetes Nistmaterial sammeln, bauen die Weibchen dieses geschickt im Nest ein. (Bild: Beat Rüegger)


April
   

Naturwunder Vogelzug

Vogelzug gibt es wahrscheinlich seit es Vögel gibt. Die Verschiebung der Kontinente, aber auch die vielen Klimaänderungen beeinflussten die Wanderungen der Vögel. Unser heutiges Vogelzugsystem wurde vor allem durch die Eiszeiten geprägt, die vor rund 15'000 Jahren zu Ende gingen. Diese Entwicklungen dauern immer noch an. Vielen Vögeln genügt es, nur einige Hundert Kilometer zu fliegen. Ihr Überwinterungsgebiet ist vielleicht ebenfalls teils frostig oder verschneit. Doch sind dort die Tage bereits lang genug, so dass der Vogel mehr Zeit zur Nahrungsaufnahme hat. Somit reicht die Nahrungsmenge aus, um die kürzeren kalten Nächte zu überstehen. Die meisten dieser Kurzstreckenzieher sind jetzt im April längst zurück im Brutgebiet – so etwa Goldammer, Zilpzalp oder Hausrotschwanz. Die Langstreckenzieher hingegen, die südlich der Sahara überwintern, kommen erst später an. Beobachten Sie einmal, wann welche Art eintrifft! (Bild: pixelio.de)

  

Heimliche Waldeidechse

Die Waldeidechse ist sehr scheu – die kleinste unserer einheimischen Eidechsen wird deshalb oft übersehen. Vielleicht suchen wir sie auch am falschen Ort. Als nordische Art bevorzugt die Waldeidechse nämlich nicht die eidechsentypischen sonnigen und trockenen Standorte, sondern eher feuchte und kühlere, wie es ihre Namen Wald-, Berg- oder Mooreidechse verraten. An bewölkten Tagen lässt sie sich öfters blicken als an sonnigen; gerne wärmt sie sich dann auf einem Stück Holz oder vegetationsfreier Erde auf. Waldeidechsen sind je nach Witterung bereits ab Mitte März aktiv. Ab August kommen die Jungtiere auf die Welt; bei uns ist die Waldeidechse als einzige einheimische Eidechse lebendgebärend. Andernorts, etwa in den Pyrenäen und in Varese (I), wurden auch Waldeidechsen entdeckt, die Eier legen.­ (Bild: Tero Laakso/flickr.com)
   

Ein Blümchen am Schatten

Nebst dem wohlriechenden und allseits bekannten Maiglöckchen (Convallaria majalis) blüht jetzt in unseren Wäldern die unscheinbare Zweiblättrige Schattenblume (Maianthemum bifolium). Ihre glänzend dunkelgrünen Laubblätter sind elegant herzförmig und sitzen zu zweit oder dritt am Blütenstängel. Darüber leuchtet weiss der Blütenstand mit zahlreichen zierlichen Blümlein. Die vierzipfligen Blüten wirken mit den vier herausragenden Staubblättchen verspielt und verströmen einen zarten Duft. Nach der Blüte erscheinen witzig gesprenkelte, kugelrunde Beeren, die mit der Reife leuchtend rot werden. Die Zweiblättrige Schattenblume wächst mit Vorliebe – wie es ihr Name verrät – in schattigen, eher sauren Nadel- und Laubwäldern, wo sie sich mittels unterirdischem Rhizom ausbreitet. Achtung: Die ganze Pflanze ist schwach giftig!


Mai
   

Zeit der Eier
animal-1997975_1920.jpg

Zur Frühlings­zeit dreht sich bei unseren Vögeln alles ums Ei. Kein Ei gleicht exakt dem anderen; sogar jedes einzelne Ei der gleichen Art ist individuell. Ursprünglich waren Vogeleier vermutlich alle weiss. Ungefähr ein Viertel aller Vögel legt auch heute noch weisse Eier, so etwa die Spechte, Eulen und Eisvögel, die in geschützten Höhlen oder gedeckten Nestern brüten. Bei Vogelarten mit offenem Nestbau hat sich im Lauf der Evolution eine farbliche Tarnung der Vogeleier durchgesetzt. Doch es gibt auch überraschend auffällige Eifarben wie zum Beispiel das Blau der Singdrosseleier. Möglicherweise wirkt die Farbe gegenüber Nesträubern abschreckend. Rund 24 Stunden dauert die Bildung eines Eis im Körper des Vogelweibchens, bis es samt Schalenhäuten und mehrschichtiger Kalkschale ins Nest gelegt werden kann.­ (Bild: pixabay)
  

Pilze im Frühling?

pulmonaria_obscura_albert_krebs.jpgEinige Pilze bilden ihre Frucht­kör­per bereits im Frühling. So zum Beispiel die als Speisepilze beliebten Morcheln. Sie wachsen gerne unter Eschen entlang von Bächen, aber auch auf Rindenmulchflächen in Gärten und Pärken. Ihre Fruchtkörper sind hohl; die Sporen werden in den vertieften Waben gebildet. Gekocht sind alle drei Morchel-Arten der Schweiz essbar. Aber Achtung: Es besteht Verwechslungsgefahr mit der giftigen Frühjahrs-Lorchel! (Bild: Matthias Griesser)


Juni
    

Unüberhörbare Blässhühner

Fulica-atra.jpgAn vielen Teichen und Seen begrüssen uns die ruffreudigen Blässhühner («Taucherli»). Ihr Stimmenrepertoire ist beeindruckend. Während die Weibchen fast trompetend klingen, erinnern die Laute der Männchen an knallende Sektkorken. Je nach Erregungszustand werden die Rufe höher, schärfer und schneller gereiht. Jetzt im Juni sind Blässhühner häufig im Familienverband unterwegs. Die frisch geschlüpften Jungen verlassen innert weniger Tage das Schwimmnest. Mit dem dichten, grauen Dunenkleid, dem leuchtend roten Köpfchen und dem orange-rötlichen Flaum sind sie ein Hingucker. Unüberhörbar sind die rauen Bettelrufe. Die Altvögel meistern die Jungenaufzucht dank Arbeitsteilung. Das Männchen führt und füttert die Erstgeschlüpften; für die etwas später schlüpfenden Jungen übernimmt das Weibchen diese Aufgabe. Die gemeinsame Familienzeit dauert zwei Monate. (Illustration: Fabienne Bertschinger)
  

Vom Wasser in die Luft

libelle_schluepfend_ak.jpgLibellen sind flinke Flug­künst­ler. An warmen Tagen können wir sie an Gewäs­sern gut beobachten. Wem die fliegen­den Libellen fast etwas zu schnell sind, kann sich frühmor­gens auf die Suche nach frisch schlüpfenden Libellen machen – ein faszinierendes Naturschauspiel. Die Larven haben zuvor räuberisch unter Wasser gelebt. Für ihre letzte Häutung, die Imaginalhäutung, kraxeln sie oft noch während der Nacht an Land, wo sie sich an einer Pflanze festkrallen. Beim Schlüpfen platzt ihre alte Haut zuerst am Nacken auf. Daraufhin befreit die Libelle mühsam Kopf, Brust und Beine. Die abgebildete Westliche Keiljungfer (Gomphus pulchellus) hat dies bereits geschafft; sobald sie sich mit den Beinen festhalten kann, zieht sie den Hinterleib blitzschnell aus der Schlupfhaut heraus. Danach muss sie ihren Körper, insbesondere die Flügel, regelrecht aufpumpen und aushärten lassen. Wenn die frisch geschlüpfte Libelle nach 4 bis 5 Stunden zu ihrem Jungfernflug startet, bleibt nur noch die leblose Larvenhaut, die sogenannte Exuvie, zurück. Daran sind alle Details zu erkennen – sogar die grossen Komplexaugen, die zum Teil aus bis zu 30 000 Einzelaugen bestehen! (Bild: Albert Krebs)
  

Tauben haben (fast) immer Frühling

tuerkentaube_michael_gerber.jpgDas morgend­liche Vogel­kon­zert wird im Juni deutlich leiser, die Brut­saison neigt sich wieder ihrem Ende zu. Nur einzelne Vogelarten singen noch unbeirrt weiter. Die Türken- und Ringeltauben zum Beispiel verraten uns mit ihrem drei- bzw. fünfsilbigen Gurren, dass sie noch immer in Paarungsstimmung sind. Tauben legen pro Brut jeweils nur zwei Eier in ihr sehr einfach gebautes Nest. Dafür brüten sie gleich mehrmals: Ringeltauben zwei bis dreimal und Türkentauben sogar bis zu fünfmal im Jahr. Das ist nur möglich, weil Tauben vom saisonalen Insekten-Angebot unabhängig sind: Frisch geschlüpfte Tauben werden während etwa 12 Tagen von beiden Altvögeln mit der sogenannten Kropfmilch gefüttert. Dank dieser Kraftnahrung wachsen sie rekordverdächtig schnell heran. Später erhalten sie Sämereien oder auch Würmer und Schnecken. Nach rund 30 Tagen sind die jungen Tauben flügge. (Bild: Michael Gerber)


Juli
 

Der Wetterfrosch

LaubfroschDie Laubfrosch-Hochzeit mit den lauten Chorgesängen, die von den Laichgewässern aus erschallen, neigt sich dem Ende zu. Jetzt verlassen die Laubfrösche die Gewässer und machen ihrem Ruf als «Wetterfrösche» alle Ehre: Geschickt klettern sie an Sträuchern und Bäumen in die Höhe. Bei schönem Wetter kann das schon einmal ein bisschen höher sein als bei Regenwetter, da sich auch ihre Insektennahrung weiter oben tummelt. Aufgrund dieser Verhaltensweise entstand der Mythos vom Wetterfrosch, und die hübschen Laubfrösche wurden gerne als lebende Wetterstationen in Gläsern gehalten. Fürs Klettern sind sie perfekt angepasst: Ihre Finger- und Zehenspitzen sind zu rundlichen Haftscheiben vergrös-sert. Dank deren Feinstruktur und einer klebrigen Flüssigkeit können Laubfrösche selbst an glatten Glasscheiben emporklettern. Auf ihrer Jagd nach Insekten hüpfen sie akrobatisch durchs Geäst und finden mit Hilfe der Haftscheiben stets wieder guten Halt. Wenn sie tagsüber ruhen, nutzen sie zusätzlich die Adhäsionskraft ihrer feuchten Haut an Bauch, Arm- und Beinunterseiten. So sitzen sie in ihrer arttypischen Ruhestellung – Arme und Beine unter dem Körper versteckt – gut getarnt auf Blättern oder an Ästen (Bild: pixabay)
  

Geheimnisvolle Federgeistchen

FedergeistchenNachts werden Federgeistchen (Pterophorus pentadactyla) oft vom Licht angelockt und erscheinen als kleine Gespenster an den Fenstern. Sie sind schneeweiss und haben Flügel wie feine Vogelfederchen, lange und bedornte Beine und einen spitzen Kopf mit grossen Augen. Wenn das Federgeistchen sitzt, hält es seine Flügel rechtwinklig vom Körper abgespreizt, so dass die zweiteiligen Vorderflügel die dreiteiligen Hinterflügel überdecken. Federgeistchen leben an Weg- und Waldrändern sowie in Gärten. (Bild: pixabay)
 

Steinbeere: oft übersehen

SteinbeereDie Steinbeere (Rubus saxatilis) bleibt vermutlich oft unentdeckt. Ihre dreizähligen, doppelt gezähnten Blätter sehen den Himbeerblättern zum Verwechseln ähnlich. Doch die feinstacheligen Triebe werden nur knapp 30 cm hoch. Die eher unscheinbaren, weisslichen Blüten sitzen in einer Dolde; Himbeerblüten sind hingegen in Rispen angeordnet. Am augenfälligsten sind die ab Juni heranreifenden Früchte: Steinbeeren sind glänzend rot und besitzen im Vergleich zur Himbeere nur wenige, dafür verhältnismässig grosse Teilfrüchtchen. Sie lösen sich nur schlecht vom Blütenboden. Wer sie probiert, entdeckt ihren fein-säuerlichen Geschmack. In der Schweiz wächst die Steinbeere besonders in steinigen und kalkreichen Hangwäldern. (Bild: Maximilian Buzun/Alamy Stock Photo)
  


August / September
  

Amphibisch lebender Schmetterling

LaubfroschSeerosenzünsler (Elophila nymphaeata) sind fein gemusterte, knapp 3 cm grosse Schmetterlinge, die sowohl die Lüfte als auch die Unterwasserwelt erobert haben. In der Dämmerung sieht man die Falter dicht über der Wasseroberfläche von Tümpeln und Weihern fliegen. Die Weibchen legen bis zu 400 Eier an die Unterseite von Seerosen- oder Laichkrautblättern, knapp unter der Wasseroberfläche. Aus den Eiern schlüpfen Räupchen, die im Wasser gelösten Sauerstoff atmen. Aus zusammengesponnenen Blättchen bauen sie sich einen schützenden Köcher, den sie an die Unterseite des Blattes heften. Die Raupen der zweiten Generation überwintern gar unter Wasser, und zwar im Mark von Laichkrautstängeln. In einem nächsten Raupenstadium im Frühling wird ihre Haut plötzlich wasserabweisend. Erneut bauen sie sich einen Köcher, der nun jedoch luftgefüllt ist; sie gehen jetzt zur Luftatmung über. Schliesslich verpuppen sich die Raupen unter Wasser. Und wenn dann der fertige Falter auftaucht, läuft er wie ein Wasserläufer übers Wasser zu einem Blatt, vom dem er bald losfliegen wird. (Zeichnung: © Fabienne Bertschinger)
  

Ist die Karde eine Fleischfresserin?

LaubfroschWilde Karden (Dipsacus fullonum) sind nicht zu übersehen: Kräftig und sperrig ist ihr Wuchs, Prachtexemplare können bis zu zwei Meter hoch werden. Alles an ihnen ist stachelig: Stängel, Blätter und sogar die Blütenstände. Die unzähligen kleinen Blüten selber sind hingegen fein zartlila. Ringförmig überziehen sie die stacheligen Blütenstände; interessanterweise wandern diese Blütenringe von der Mitte aus und nicht wie sonst üblich von unten her über die Blütenköpfe. Besonders bei langrüsseligen Schmetterlingen und Hummeln sind Karden beliebt. Bis tief in den Winter hinein werden ihre Fruchtstände gerne von körnerfressenden Vögeln wie Distelfinken besucht. Nebst Nektar und Samen hat die Karde aber noch mehr zu bieten: Die robusten und gegenständigen Blätter sind beim Stängel so miteinander verwachsen, dass sich in ihnen Tau- und Regenwasser ansammelt. Solche Mikrotümpel auf Pflanzen werden als Phytothelmata bezeichnet und sind richtige kleine Ökosysteme. In unseren Breitengraden entstehen sie etwa in Astlöchern, in den Tropen z.B. auch auf Bromelien. Ertrunkene Insekten, abgestorbene Pflanzenreste und Staub reichern das Tümpelchen mit Nährstoffen an, sodass sich bald auch Bakterien, Pilze, Einzeller und sogar Fliegenlarven darin ansiedeln können. Die Lebensbedingungen sind allerdings aufgrund der grossen Temperaturschwankungen und des oft geringen Sauerstoffgehalts hart. Ob die Karde selbst von ihren Mikrotümpeln profitiert, ist unklar. Untersuchungen zeigen zwar, dass Karden mit Phytothelmata mehr keimfähige Samen produzieren als solche ohne, doch konnte eine karnivore Lebensweise mit einer Nährstoffaufnahme über die Blätter bisher nicht eindeutig nachgewiesen werden. Karden sind zweijährig. Im ersten Jahr entsteht eine unscheinbare Blattrosette; erst im zweiten Jahr bilden sie den Blütenstand aus. (Bild: A. Möhl)
  

Jetzt blüht das Alpenveilchen

FedergeistchenDas kultivierte Zimmer-Alpenveilchen (Cyclamen persicum) ist als Zierpflanze sehr beliebt und erfreut uns bereits im Winter und zeitigen Frühling mit seiner Blütenpracht. Wussten Sie, dass es auch einheimische Arten gibt? Das Europäische Alpenveilchen (Cyclamen purpurascens) und das sehr seltene Efeublättrige Alpenveilchen (C. hederifolium) blühen bei uns von Sommer bis Herbst. Sie sind in Laubwäldern auf kalkhaltigen Böden zu finden. (Bild: pixabay)

Ein Spinner wirft sich in Pose

libelle_schluepfend_ak.jpgDie Raupe des Buchen-Zahn­spinners ist ein skur­riles Tier: Die schwärz­lichen, dünnen Jung­raupen sehen zuerst Ameisen ähnlich; die bräunlichen, älteren Exemplare hingegen gleichen räuberischen Fangschrecken (Bild). Der Hinterleib der Raupe ist keulenförmig verdickt, die Hinterbeine sind zu rötlichen Stacheln umgewandelt. Zwei der drei Brustbeinpaare sind für eine Raupe ausserordentlich lang. Bei Erregung hält sich die Raupe nur noch mit den vier Bauchfüssen fest, streckt Kopf und Brust mit den langen Beinen senkrecht hoch und klappt das imposante Hinterteil so über ihren Rücken zurück, dass die rötlichen Stacheln bedrohlich in die Luft ragen – eine wahrhaft eindrückliche Erscheinung, die auch Fressfeinde zu beeindrucken vermag. Die Raupe frisst gerne auf Rot- und Hagebuche, Haselnuss, Eiche, Birke und Feldahorn. Gegen Ende September verpuppt sie sich in einem Gespinst zwischen Blättern am Boden. Ab Mitte April schlüpfen die nachtaktiven Falter. (Bild: Holger Müller/Wikipedia)
  

Heimliche Jäger mit feiner Spitznase

tuerkentaube_michael_gerber.jpgAm häufig­sten begegnen wir Spitz­mäusen als Katzen­opfer; aller­dings werden sie wegen ihres unappetit­lichen Geruchs selten gefressen. Obwohl sie Mäusen ähneln, haben Spitzmäuse nichts mit ihnen gemeinsam: Mäuse sind Nagetiere, Spitzmäuse hingegen Insektenfresser. Das Spitzmausfell ist dicht und kurz, die Augen sind winzig und die Ohren meist im Pelz versteckt. Im Dunkeln orientieren sie sich mittels Echoortung und stöbern mit ihrer spitzen Nase in allen Winkeln nach Beutetieren: Schnecken, Würmern, Insekten etc. Die kleinen Tiere haben einen ausserordentlich hohen Energiebedarf und sind fast pausenlos auf Nahrungssuche. Von den elf einheimischen Arten stehen einige auf der Roten Liste. Ihnen fehlt es an kleinstrukturierten Lebensräumen, die reiche Nahrung und Deckung bieten. (Bild: Mnolf/Wikipedia)


Oktober / November
  

Der Ruf der Kraniche

animal-1997975_1920.jpgDas durchdringende Trompeten der Kraniche erzählt von der wilden Schönheit der nördlichen Moorgebiete. Vermutlich brütete der majestätische Vogel einst auch in der Schweiz, bis er in ganz Mitteleuropa durch Lebensraumverlust stark zurückgedrängt wurde. Dank intensiver Schutzmassnahmen konnte sich die europäische Kranichpopulation erfreulich erholen; in Deutschland brüten unterdessen wieder etwa 7500 Paare. Die traditionellen Zugrouten der Kraniche führen nicht über die Schweiz. Trotzdem kann man von Oktober bis November mit etwas Glück ziehende Trupps über dem Mittelland beobachten. Sie fliegen in eleganter V- oder Linienformation und verraten sich durch den geheimnisvollen Ruf der Vögel – auch mitten in der Nacht. Hin und wieder rasten sie sogar kurz in grösseren Feuchtge-bieten­. (Bild: Michael Gerber)
   

Haselmaus und Haselnuss

Die Haselmaus (Muscardinus avellanarius) ist unser kleinster einheimischer Bilch. Die nachtaktiven Baumbewohner bleiben auch zum Fressen oft im Kronenbereich. Im Herbst müssen sie sich für den langen Winterschlaf Fettreserven anfressen und ihr Körpergewicht praktisch verdoppeln. Haselnüsse sind hierfür ideal, denn sie sind besonders reich an Fett und Eiweiss. Mit den messerscharfen Nagezähnchen öffnen die Haselmäuse die Nüsse spielend. Zurück bleibt die leere Schale mit einem sauber genagten Loch. Die Spuren der Zähnchen verlaufen typischerweise parallel zur Lochöffnung. Mäuse fressen ebenfalls ein rundes Loch, doch ihre Zahnspuren verlaufen rechtwinklig zum Schalenrand. Spurensuche an Haselnüssen ist Detektivarbeit!(Bild: saguari/pixabay.com)
  

Im Farbrausch

Das Pfaffenhütchen (Euonymus europaeus) bietet im Herbst ein eindrückliches Farbspektakel. Jetzt verfärbt sich ihr Laub leuchtend rot, und die Früchte wetteifern mit den Farben Pink und Orange – eine überraschende Farbkombination. Die Form der Früchte ist nicht minder originell. Die witzig vierteilige Kapselfrucht sieht einem Hut ähnlich – eben einem pinken Pfaffen- bzw. Pfarrershut. Beim Öffnen der Kapsel erscheinen ein bis vier Samen, die auf einem kurzen Stielchen sitzen. Sie sind von einem glänzend orangen Samenmantel umgeben. Drosseln wie das Rotkehlchen können den leuchtenden Leckerbissen nicht widerstehen; für uns sind die Früchte giftig. (Bild: jurgko/pixabay.com)

 


Texte: Sabine Schaufelberger, Daniela Pauli