Vogelzug gibt es wahrscheinlich seit es Vögel gibt. Die Verschiebung der Kontinente, aber auch die vielen Klimaänderungen beeinflussten die Wanderungen der Vögel. Unser heutiges Vogelzugsystem wurde vor allem durch die Eiszeiten geprägt, die vor rund 15'000 Jahren zu Ende gingen. Diese Entwicklungen dauern immer noch an.
Die Klimaveränderung ermöglichte es vielen Vogelarten, neue Gebiete in Europa zu besiedeln, wo sie in den eisfreien, tundrenartigen Gebieten reichlich Nahrung, aber kaum Konkurrenz und Feinde im Sommer vorfanden. Der Nahrungsmangel im Winter zwang sie, wieder Richtung Süden zu ziehen. Solche Ausbreitungstendenzen von Vögeln finden immer noch statt.
Wenn die Zugvögel zur harten Jahreszeit in für sie günstigere Gebiete ausweichen, heisst das nicht, dass sie immer gleich das Schlaraffenland erreichen wollen. Vielen genügt es, nur einige Hundert Kilometer zu fliegen. Ihr Überwinterungsgebiet ist vielleicht ebenfalls noch frostig oder verschneit. Doch sind dort die Tage bereits lang genug, dass der Vogel mehr Zeit zur Nahrungsaufnahme hat, womit die Nahrungsmenge reicht, um die kürzeren kalten Nächte zu überstehen. So überwintern zum Beispiel zahlreiche Rotkehlchen aus Skandinavien in der Schweiz.
Viele Zugvögel fliegen in einem flächendeckenden Breitfrontzug Richtung Süden und zurück. Dieser kommt zustande, weil die einzelnen Teilpopulationen parallel zueinander fliegen. Westliche, mitteleuropäische Populationen wählen dabei eher den Weg über Westeuropa und Gibraltar nach Westafrika, nördliche den direkten Weg südlich bis nach Südafrika, östliche fliegen über den Bosporus Richtung Ost- und Südafrika.
Nur wenige Arten ziehen in einem Schmalfrontzug von wenigen 100 Kilometern. Segelflieger, die wegen fehlenden Aufwinden über Wasser das Überqueren von Meeren meiden, konzentrieren sich an bestimmten Stellen zu Zehntausenden.
Viele Arten ziehen beim Wegzug aus dem Brutgebiet im Herbst einen anderen Weg als beim Heimzug im Frühling zurück zu ihrem Brutlebensraum: Sie machen einen sogenannten Schleifenzug.
Bei den Teilziehern wie dem Buchfink fliegen vor allem Weibchen und Jungvögel Richtung Süden, während Männchen bei uns eher an Ort bleiben. Bei Standvögeln harrt die ganze Population auch im Winter im Brutgebiet aus. Kurzstreckenzieher überwintern bereits im Mittelmeerraum, während Langstreckenzieher südlich der Sahara ihr Winterquartier beziehen.
Der Zug nach Süden dauert oft 3 bis 4 Monate, der Heimzug wird in der Hälfte der Zeit bewältigt und führt oft in direktem Weg nach Norden. Wer zuerst im Brutgebiet eintrifft, kann die besten Brutreviere besetzen.
Zugvögel vollbringen unglaubliche Leistungen. Bekannt geworden ist 2007 der Rekordflug einer Pfuhlschnepfe, die von Neuseeland bis zu einem Zwischenstopp auf dem Zug ins Brutgebiet 10’200 Kilometer im Nonstop-Flug gezogen ist. Die ununterbrochene Reise dauerte 9 Tage.
Auch bezüglich Höhe gibt es Rekorde zu vermerken: Der Himalaya wird regelmässig von Enten, Gänsen und Limikolen in Höhen von 7000 bis 8500 Metern überquert. Streifengänse halten es sogar kurze Zeit in über 10'000 m Höhe aus. Die Küstenseeschwalbe zieht von der Arktis in die Antarktis und legt damit jährlich rund 35’000 bis 40'000 Kilometer zurück. Der Dunkle Sturmtaucher hält den Rekord bezüglich Distanz: Er fliegt über den Meeren in 6 Monaten rund 64'000 Kilometer.
Nur rund ein Viertel aller Arten zieht am Tag, zum Beispiel Greifvögel und Störche, die als Segelflieger auf warme Luftmassen angewiesen sind. Der Rest nimmt den Weg nach dem Eindunkeln bis frühmorgens unter die Flügel. Das hat einige Vorteile: Es windet nachts weniger, ist weniger heiss, es hat weniger Feinde und tagsüber kann Nahrung aufgenommen werden.
Bei vielen Vögeln steuert das Verhältnis der Tageslänge zur Nachtlänge den Zeitpunkt des Wegfliegens. Dieses löst Hormone im Körper des Vogels aus, die bewirken, dass der Vogel unruhiger wird und anfängt, vermehrt Nahrung aufzunehmen. Bei Singvögeln sind das nun anstelle von Insekten oft Früchte und Sämereien. Diese werden in Fett umgesetzt, das als Energielieferant für den Zug dient. Kurzstreckenzieher nehmen um 13 bis 25 Prozent zu, Langstreckenzieher 50 bis 100 Prozent. Bei Weitstreckenziehern unterliegt der Zugablauf oft programmierten Veränderungen. Analog dazu verläuft die Fettanreicherung, so dass bei der Überwindung von Hindernissen wie Gebirgen, Wüsten oder Meeren grosse Fettmengen vorhanden sind. Zahlreiche Arten legen für den raschen Zug ins Brutgebiet mehr Fett an als beim geruhsameren Herbstzug. Zudem beginnt nach der Rückkehr gleich das ebenfalls energiezehrende Brutgeschäft. Grosse Vögel wie Kraniche, Greifvögel oder der Grosse Brachvogel legen im Verhältnis gesehen weniger Fett an, da ihre Muskelleistung besser ist und sie sonst zu schwer für den Flug würden.
Bei gewissen Vogelarten verändert sich das Blut so, dass es mehr Sauerstoff aufnehmen kann, und die Brustmuskulatur wird stärker. Damit wird es den Vögeln ermöglicht, grosse Strecken zurückzulegen. Allerdings sind die meisten Arten darauf angewiesen, auf dem Zug an Rastplätzen während einiger Tage die Fettreserven wieder aufzufüllen.
Vögel sind während des Zuges verschiedenen natürlichen Gefährdungen ausgesetzt: Stürme können sie verdriften, Dürren vernichten Pflanzen und damit auch das Nahrungsangebot in Form von Insekten, oder schwächere Vögel sterben an den Strapazen des Zuges.
Hinzu kommen aber je länger je mehr Bedrohungen durch den Menschen. Für Zugvögel ist die Lebensraumzerstörung sowohl im Brutgebiet wie auch bei Rastplätzen oder im Winterquartier das Hauptproblem. Siedlungswachstum und Intensivierung der Bewirtschaftung vernichten Lebensräume. Rastplätze werden überbaut oder entwässert. In den Winterquartieren müssen Regenwälder Plantagen weichen. Küstengebiete werden durch gigantische Tourismusprojekte zerstört. Bewässerungsprojekte entziehen den Feuchtgebieten ebenfalls das nötige Wasser. Pestizide und Herbizide, die bei uns schon lange nicht mehr angewendet werden dürfen, sind in Afrika immer noch in Gebrauch.
Rund um das Mittelmeer fallen der Vogeljagd und dem Vogelfang jährlich Millionen von Vögeln zum Opfer. Auch in Afrika sind Zugvögel wie Seeschwalben oder grosse Storchenschwärme der Jagd ausgesetzt.
Starke Lichtquellen, Freileitungen oder Wasserbecken können lokal zahlreiche Opfer fordern.
Kampf gegen die Wilderei im MittelmeerraumUnzählige Zugvögel werden jedes Jahr gewildert, vor allem im Mittelmeerraum. Und in ihren Brutgebieten warten weitere Bedrohungen. Das BirdLife-Netzwerk kämpft gegen den Vogelmord und für wertvolle Lebensräume. BirdLife Schweiz sammelt Geld für den Schutz der Zugvögel in Italien, Zypern und der Schweiz. Helfen Sie bitte mit. |
Posterserie zum VogelzugEine Posterserie aus 17 Postern präsentiert spannende Infos zum Vogelzug. |