Deutlich weniger Nutztierrisse auf Schweizer Alpen

Medienmitteilung von Pro Natura, WWF Schweiz, BirdLife Schweiz, Gruppe Wolf Schweiz vom 18.10.2023

Obschon der Wolfsbestand in der Schweiz erneut zugenommen hat und die Anzahl gesömmerter Schafe stabil blieb, haben die Nutztierrisse heuer abgenommen. Dort, wo Herdenschutz fachgerecht umgesetzt wird, wirkt er in aller Regel gut. Im Wallis entfielen auch dieses Jahr wieder 80 Prozent der Schäden auf ungeschützte Herden.

Im Vergleich zum Vorjahr ist die Anzahl Nutztierrisse durch Wölfe im Kanton Graubünden um fast 50 Prozent zurückgegangen. Während Ende September 2022 rund 500 Nutztierrisse zu verzeichnen waren, sind es dieses Jahr zum gleichen Zeitpunkt noch 259. Gleichzeitig sind auf Bündner Alpen rund 1000 Schafe und Ziegen an Krankheiten und Unfällen verendet. Im Wallis fallen die Schäden 15 Prozent tiefer aus, wobei 80 Prozent der Risse in völlig ungeschützten Herden erfolgten. Schweizweit blieb die Anzahl gesömmerter Schafe im Vergleich zum Vorjahr stabil. Seit 2020 nahm die Zahl des gesömmerten Kleinviehs in Kantonen mit Wolfsrudeln sogar markant zu.

Herdenschutz und Wolfsregulierung müssen Hand in Hand gehen
Um die Jahrtausendwende wurden pro Wolf und Jahr rund 33 Schafe gerissen. Diese Zahl ist auf heute noch fünf Risse gesunken - ein weiterer Hinweis, dass der Herdenschutz wirkt, auch wenn er nicht alle Probleme löst. Auffällig ist der Rückgang der Schäden bei Rudeln, wo letztes Jahr absichtlich (Beverin GR) oder versehentlich (Moesola GR, Marchairuz VD) ein besonders schadenstiftender Leitrüde erlegt wurde. Diese Rudel sind kaum mehr negativ in Erscheinung getreten. Gezielte, zeitnahe Eingriffe gegen schadenstiftende Rudel, speziell Leittiere, können zu einem Rückgang der Schäden führen. 
Auch präventive Eingriffe in den Wolfsbestand sind neu möglich und unbestritten. Das aktualisierte Jagdgesetz bietet dafür die richtigen Instrumente. Da auch Einzelwölfe in Gebieten ohne Herdenschutz Schäden anrichten können, kann diese Regulierung nur im Zusammenspiel mit flächig umgesetztem Herdenschutz funktionieren. Zu dessen effektiver Umsetzung ist von Seiten der Behörden bei der Vergabe von Unterstützungsgeldern künftig mehr Entgegenkommen und Rücksicht auf regionale Besonderheiten gefordert.

Abschusspläne ohne Faktenbasis
Der Entwurf der Jagdverordnung, die am 1. Dezember in Kraft treten soll, sieht vor, bis zu 70 Prozent des Schweizer Wolfsbestands auszulöschen. Die Verordnung entpuppt sich auch vor dem Hintergrund der aktuellen Risszahlen als Massnahme ohne Realitätsbezug und wildbiologische Basis.
Möglichkeiten zur Bestandsdezimierung beim Wolf bestehen. Es soll aber auch nach dem Willen des Parlaments nur bei drohendem Schaden oder Gefährdung eingegriffen werden. Gefragt sind jetzt Weitblick, Pragmatismus und Verantwortungsgefühl im Umgang mit der Präsenz Wolf, nicht blinder Aktionismus zugunsten vermeintlich einfacher Lösungen.

Risse & sonstige Verluste Alpsommer 2023 im Vergleich zu 2022
Die Zahlen stammen von den zuständigen kantonalen Fachstellen (Risszahlen) sowie Identitas / Tierverkehrsdatenbank TVD (Sömmerungszahlen).

 

Gesömmerte Schafe & Ziegen 2023

Alle Todesfälle Sömmerung 2023

Risse 2022 (bis 30.09.)

Risse 2023 (bis 30.09.)

Trend

Anteil Risse am Abgang 2023

Graubünden

58'291

1’247

480 (Schätzung)

259

stark rückläufig

21%

Wallis

41'276

738

376

325

rückläufig

44%

Waadt

8'631

450

51

61*

stabil

9%

Tessin

18'585

463

171

130**

stabil

26%

Glarus

4'478

146

86

16

stark rückläufig

11%

St. Gallen

15'021

387

50 (Schätzung)

46

stabil

12%


* inkl. 8 Fällen mit noch unsicherer oder noch nicht abgeschlossener Zuordnung (unklar ob Wolfsrisse)
** inkl. ca. 30 Fällen mit noch unsicherer oder noch nicht abgeschlossener Zuordnung (unklar ob Wolfsrisse)


Weitere Informationen 


Kontakte:

  • Pro Natura: Sara Wehrli, Verantwortliche Grosse Beutegreifer und Jagdpolitik, +41 61 317 92 08, sara.wehrli@pronatura.ch
  • Gruppe Wolf Schweiz: David Gerke, Geschäftsführer, +41 79 305 46 57, david.gerke@gruppe-wolf.ch   
  • WWF Schweiz: Jonas Schmid, Mediensprecher Biodiversität, +41 79 241 60 57, jonas.schmid@wwf.ch 
  • BirdLife Schweiz: Jan Schudel, Projektleiter Politik, jan.schudel@birdlife.ch, +41 44 457 70 42