Medienmitteilung von BirdLife Schweiz vom 3.11.2016
Ob in Zypern, Ägypten, Malta oder in unseren Nachbarländern Italien und Frankreich: Überall fallen in diesen Tagen wieder die Vögel vom Himmel – oder sie bleiben in Netzen und an Leimruten hängen. Die Vogeljagd ist in vollem Gang, und mit ihr auch die Wilderei. Rund 50 bis 75 Millionen Wildvögel werden allein im Mittelmeerraum jedes Jahr getötet. Doch es gibt auch Lichtblicke: Die Bemühungen der BirdLife-Partner und weiterer Organisationen tragen erste Früchte, wie eine Zwischenbilanz von BirdLife Schweiz zeigt.
Vor rund einem Jahr hat BirdLife International eine Studie1 zur Wilderei im Mittelmeerraum herausgegeben. Sie zeigte anhand von wissenschaftlich erhobenen Zahlen: Jedes Jahr werden in den Mittelmeer-Ländern rund 25 Millionen Vögel gewildert, also illegal abgeschossen oder gefangen. Darunter sind gut 20 Millionen Singvögel, 1 Million Wasservögel, ungefähr 700 000 Tauben und 100 000 Greifvögel. Nun arbeitet BirdLife International an einer Nachfolgestudie, die auch die legale Jagd unter die Lupe nimmt. Laut vorläufigen Schätzungen von BirdLife-Experten sind es weitere 25 bis 50 Millionen Vögel, die jährlich ganz legal getötet werden.
Gleichzeitig werden immer mehr Institutionen aktiv, um gegen die unhaltbaren Zustände vorzugehen. Nach einem jahrzehntelangen Kampf der BirdLife-Partner und anderer Naturschutzorganisationen haben sich die meisten mediterranen Länder 2013 im Rahmen der Berner Konvention auf ein gemeinsames Vorgehen verständigt. Unter Beteiligung von BirdLife International und BirdLife Schweiz verabschiedeten sie den sogenannten «Tunis Action Plan»2, der bis 2020 zahlreiche Massnahmen zum Schutz der Vögel vorsieht. Die Konvention zum Schutz der migrierenden Arten (CMS) gründete darauf eine Task Force3, und die EU erarbeitete eine Road Map und finanziert Massnahmen.
In den meisten Ländern sind auch die BirdLife-Partner im Kampf gegen die Wilderei aktiv. Sie machen Aufklärungsarbeit, lobbyieren für bessere Gesetze und zeigen Wilderer an. Unterstützt werden sie in einigen Ländern vom Komitee gegen den Vogelmord, das teils mit BirdLife gemeinsam Camps organisiert und Netze und Fallen entfernt.
Eine aktuelle Zwischenbilanz4 von BirdLife Schweiz zeigt nun, dass sie die Verhältnisse durch all diese Aktivitäten zumindest in einigen Ländern langsam zu verbessern beginnen. Die Zwischenbilanz wurde in der Zeitschrift Ornis 5/16 vom Oktober 2016 publiziert.
Aktuelle Situation in einigen Ländern:
Malta:
- Das Land hat aufgrund der jahrelangen Proteste seit 2012 mehrere Gesetze verbessert und die Frühlingsjagd eingeschränkt.
- 90 staatliche Ranger sind neuerdings während der Jagd unterwegs.
- Zahlreiche Wilderer wurden bereits zu empfindlichen Geld- und Gefängnisstrafen verurteilt. Die Strafen wurden massiv erhöht.
- Insgesamt hat sich die Situation in den letzten Jahren nach Meinung von BirdLife Europa stark verbessert. Probleme gibt es hingegen noch bei der legalen Herbstjagd auf sieben Finkenarten und Singdrosseln.
Frankreich:
- Die Herausforderungen sind in unserem Nachbarland weiterhin gross. Wenn auch „nur“ 0,5 Millionen Vögel gewildert werden, kommen Millionen weiterer Vögel durch die legale Jagd um, darunter 20 Arten, die bereits selten sind oder deren Bestände stark abnehmen (zum Beispiel Auerhuhn, Kiebitz, Turteltaube).
- Frankreich hat im Rahmen der EU-Gesetzgebung Ausnahmebewilligungen für den Fang von Singvögeln erstellt. Jedes Jahr werden so über 200 000 Feldlerchen gefangen.
- Auch bis zu 30 000 Ortolane werden noch immer gefangen und danach in kleinen Käfigen gemästet, obwohl diese in ganz Mitteleuropa selten geworden sind und der Fang illegal ist.
- Der BirdLife-Partner LPO kämpft weiter gegen die Wilderei an, unter anderem mit Aktionen im Feld, mit Petitionen und Lobbying. Auch zeigt er konsequent Wilderer an.
Ägypten:
- Entlang der 700 km langen Mittelmeerküste werden mit Netzen knapp 12 Millionen Vögel pro Jahr gefangen, 70 Prozent davon illegal. Das zeigt eine neue Studie5 im Auftrag von BirdLife International und vom deutschen BirdLife-Partner Nabu. Verantwortlich sind etwa 2000 Vogelfänger-Familien.
- Derzeit setzen das Umweltministerium und der BirdLife-Partner Nature Conservation Egypt (NCE) einen Aktionsplan6 gegen die Wilderei um, der unter dem Dach des Afrikanisch-Eurasischen Wasservogelabkommens (AEWA) beschlossen wurde und von der ägyptischen Regierung mitgetragen wird. Ziele sind unter anderem, die Gesetze zu schärfen, die Behörden zu informieren und zu sensibilisieren und die Zuständigkeiten besser zu klären.
- Die Zusammenarbeit mit den Behörden beginnt zu funktionieren: NCE (BirdLife Ägypten) konnte dieses Jahr zusammen mit der lokalen Polizei die Netze auf einer Länge von 2,5 km entfernen.
Italien:
- Der BirdLife-Partner LIPU und das Komitee gegen den Vogelmord haben sieben Hotspots der Wilderei identifiziert – so in den Alpen rund um Brescia (unweit der Schweizer Grenze), im Po-Delta, im Südwesten Sardiniens oder an der Strasse von Messina. In den Hotspots haben die Aktivisten der LIPU und des Komitees gegen den Vogelmord schon hunderttausende Fallen entfernt.
- An der Strasse von Messina werden dank einer guten Zusammenarbeit der LIPU und der Behörden "nur" noch 200 statt wie früher 2000 Wespenbussarde pro Jahr gewildert.
- Auch andernorts beteiligen sich inzwischen viele Jagdaufseher, Carabinieri, Forstpolizisten und Naturschutzbehörden am Kampf gegen die Wilderei.
- Allerdings werden in ganz Italien noch immer rund 5,6 Millionen Vögel pro Jahr gewildert. Zudem können im Herbst 36 Vogelarten legal abgeschossen werden, darunter die bedrohte Turteltaube, Drosseln und Wasservögel. Die LIPU engagiert sich dafür, dass Europa und Italien ihre Anstrengungen für den Schutz der Vögel erhöhen – insbesondere mit einem Anti-Wilderer-Plan und einer Verschärfung der Gesetze und des Vollzugs.
BirdLife Schweiz hat die Erarbeitung des Tunis Action Plan aktiv unterstützt. Seit vielen Jahren unterstützt der Verband zudem Partnerorganisationen in Ost- und Südosteuropa. Diese setzen sich heute als lokal verankerte, glaubwürdige Organisationen für den Schutz der Vögel ein. Auch half der drittgrösste Schweizer Naturschutzverband seinen Partnern rund um das Mittelmeer immer wieder finanziell.
Weitere Details zur aktuellen Situation sind im Bericht zu finden, der in der Oktober-Ausgabe von "Ornis" veröffentlicht wurde.4
Weitere Informationen und Spendemöglichkeiten: www.birdlife.ch/wilderei
3 www.cms.int/en/taskforce/mikt
4 www.birdlife.ch/sites/default/files/documents/Orn5_06-11_Wilderei_Druckbogen.pdf
6www.illegalbirdkilling.aewa.info
BirdLife SchweizBirdLife Schweiz ist mit 63'000 Mitgliedern einer der grössten Naturschutz-Verbände der Schweiz. Er vereint zwei Landesorganisationen, 19 Kantonalverbände und rund 450 lokale Naturschutzvereine. Er ist Partner von BirdLife International mit über 13 Mio. Mitgliedern, Unterstützern und ehrenamtlich Mitarbeitenden. Website: www.birdlife.ch |
BirdLife InternationalBirdLife International ist der weltweit grösse Naturschutzverband mit 2,77 Millionen Mitgliedern sowie 10,8 Millionen Unterstützern und ehrenamtlich Mitarbeitenden. Die BirdLife-Partner in 120 Ländern betreuen unter anderem Naturschutzgebiete mit einer Gesamtfläche von 4,3 Millionen Hektaren. Weltweit hat BirdLife rund 12'000 Important Bird and Biodiversity Areas (IBA) ausgeschieden. BirdLife Schweiz ist Gründungsmitglied von BirdLife International und gehört weltweit zu den zehn grössten BirdLife-Partnern. Website: www.birdlife.org |
Bilder
Grafik © BirdLife
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Rotkehlchen, das an einer Leimrute qualvoll verendet. © RSPB/BirdLife Das Bild darf nur in Zusammenhang mit dieser Medienmitteilung und unter korrekter Angabe des Fotografen verwendet werden!
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Wilderer stellen jedes Jahr rund um das Mittelmeer tausende von illegalen Netzen auf, um damit Zugvögel wie diesen Pirol zu fangen. © RSPB/BirdLife Das Bild darf nur in Zusammenhang mit dieser Medienmitteilung und unter korrekter Angabe des Fotografen verwendet werden! |
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Die gewilderten Vögel werden von der lokalen Bevölkerung oft verspiesen. © RSPB/BirdLife Das Bild darf nur in Zusammenhang mit dieser Medienmitteilung und unter korrekter Angabe des Fotografen verwendet werden! |
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Ein BirdLife-Mitarbeiter lässt in Frankreich einen Ortolan frei, den er in einem Käfig gefunden hatte. Die ersten gefangenen Vögel dienen oft als Lockvögel, um mit ihrem Gesang andere Artgenossen anzuziehen. © LPO/BirdLife France Das Bild darf nur in Zusammenhang mit dieser Medienmitteilung und unter korrekter Angabe des Fotografen verwendet werden! |
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Weitere Auskünfte
Stefan Bachmann, Medienverantwortlicher BirdLife Schweiz, Tel. 044 457 70 23, Mobil 078 740 50 51, stefan.bachmann@birdlife.ch