Bach

Pestizide: Das Vorsorgeprinzip bleibt auf der Strecke

In der Schweiz sollen die Grenzwerte für Pestizide und andere Stoffe in oberirdischen Gewässern angepasst werden. Dazu läuft noch bis am 13. März eine Vernehmlassung des Bundesamts für Umwelt (Bafu). Konkret geht es um 38 Pestizide, 13 Medikamente und 4 Industriechemikalien, deren Grenzwerte auf Grund von Studien zur Ökotoxizität angepasst werden sollen. Neu sollen für alle Sub­stanzen zwei Grenzwerte gelten: ein Wert für akut toxische Wirkungen, der jederzeit einzuhalten ist, sowie ein Wert, der gemittelt über einen Zeitraum von maximal zwei Wochen oder länger nicht überschritten werden darf. Es ist geplant, den bisherigen Einheitswert von 0.1 μg/l wie folgt zu ersetzen: Bei 32 der 38 Pestizide werden höhere Grenzwerte für akut toxische Wirkungen vorgeschlagen, bei vier tiefere. Bei zwei blieben sie unverändert. Für einige Pesti­zide wäre die Erhöhung enorm: Beim umstrittenen Total-Herbizid Glyphosat würde der Grenzwert für akut toxische Wirkungen 3600-fach erhöht. Das vordergründige Argument des Bafu für die Anpassung der Grenzwerte ist der Vollzug, für den die Kantone zuständig sind. Obwohl Untersuchungen immer wieder zeigten, dass die Grenzwerte in vielen kleinen Gewässern ständig überschritten werden, hatte dies bislang kaum Konsequenzen. Die für den Vollzug der Gewässerschutzgesetzgebung zuständigen kantonalen Stellen argumentierten, der Einheitswert sei für den Vollzug nicht praktikabel, da er über die Ökotoxizität der Stoffe nichts aussage. Eine Antwort, wie der Vollzug verbessert werden soll, blieb jedoch aus.

Kantone könnten handeln

Zentral ist ein seit 2016 geltender Passus in der Gewässerschutzverordnung, der besagt, dass Stoffe und deren Mischungen weder Pflanzen noch Tiere oder Mikroorganismen in Gewässern beeinträchtigen dürfen. Insofern müssten die Kantone immer Massnahmen anordnen, wenn sie bei einem Gewässer zum Schluss kommen, dass Gewässerorganismen beeinträchtigt werden – selbst wenn der Grenzwert für keinen Einzelstoff überschritten wird. Wie eine solche Beurteilung erfolgen soll, bleibt jedoch unklar. Denn Grenzwerte zu Stoffgemischen gibt es nicht, und bei über 250 zugelassenen chemisch-synthetischen Pestiziden und unzähligen weiteren Chemikalien sind so viele Kombinationen möglich, dass eine Beurteilung äusserst schwierig ist. Die einzige erfolgreiche Massnahme ist daher das Verhindern der Einträge von Pestiziden in Gewässer, sprich die Anwendung des Vorsorgeprinzips. In Anbetracht dessen ist BirdLife Schweiz der Meinung, dass auf eine Erhöhung der Grenzwerte verzichtet werden soll. Die Anpassung nach unten aufgrund ökotoxikologischer Kriterien hingegen ist sinnvoll. Doch die Grenzwerte sind nur ein Teil von Massnahmen, die ergriffen werden müssen: Sowohl bei der Zulassung der Stoffe als auch in der zukünftigen Agrarpolitik AP 22+ und beim Vollzug muss für eine Reduktion der Pestizidbelastung gesorgt werden.

1.2.2018