Agrarpolitik 2014-17 als letzte Chance für Schweizer Feldvögel

Medienmitteilung des SVS/BirdLife Schweiz und der Vogelwarte Sempach vom 7. August 2012

Die Agrarpolitik der letzten Jahrzehnte führte zu riesigen Verlusten bei den Brutvogelarten der Landwirtschaftsgebiete. Heute leben rund 350‘000 Vögel weniger auf unseren Äckern und Wiesen als noch vor 20 Jahren. Die Schweizerische Vogelwarte Sempach und der Schweizer Vogelschutz SVS/BirdLife Schweiz rufen deshalb das Parlament eindringlich dazu auf, die vom Bundesrat in der Agrarpolitik 2014-17 vorgeschlagenen Verbesserungen ohne Abstriche anzunehmen.

Zürich und Sempach. – Die Zahlen sind erschreckend: In den letzten 20 Jahren hat die Schweiz rund 350‘000 Landwirtschaftsvögel verloren, was einer Abnahme von 25% entspricht. Dies berechnete die Schweizerische Vogelwarte Sempach aus den Bestandstrends von Vogelarten, die in den landwirtschaftlich genutzten Gebieten der Schweiz erhalten und gefördert werden sollen. Dieses Ziel hatten die Bundesämter für Landwirtschaft (BLW) und Umwelt (BAFU) in ihren „Umweltzielen Landwirtschaft“ vorgegeben.

„Die Bestandskurve der Brutvögel von Wiesen und Äckern zeigt steil nach unten. Viele früher häufige Arten wurden aus dem Mittelland verdrängt“, sagt Markus Jenny, Landwirtschaftsexperte der Vogelwarte. Vom Rückgang ist aber seit einiger Zeit auch das Berggebiet betroffen: „Im Unterengadin beispielsweise sind die Bestände der Wiesenvögel innerhalb von 20 Jahren um die Hälfte eingebrochen.“

„Allein im Kanton Zürich verschwanden zwischen 1986/88 und 2008 vier Fünftel aller Feldlerchen“, konkretisiert Werner Müller, Geschäftsführer des Schweizer Vogelschutzes SVS/BirdLife Schweiz. Und er fragt: „Welches Kind kennt heute noch den jubilierenden Gesang der Feldlerche?“

Der Grund für das Vogelsterben: Die Agrarpolitik fordert von der Landwirtschaft zu wenig konkrete Resultate zum Erhalt der Biodiversität ein. Der Gegenwert für die jährlich rund 2,8 Mia. Direktzahlungen ist diesbezüglich völlig ungenügend. Mit jährlichen Pauschalbeiträgen von 865 Mio. Franken für die Haltung von Tieren wird ein Anreiz für zu hohe Tierbestände geschaffen. Dies führt zu einer Produktion, die nicht an den Standort angepasst und auf hohe Futtermittelimporte angewiesen ist. Die zu hohen Tierbestände verursachen eine eigentliche Nährstoffschwemme, welche die artenreichen Wiesen und mit ihnen die Schmetterlinge und Wiesenvögel zum Verschwinden bringt.

Zahlreiche, sehr positive Beispiele in der Landwirtschaft beweisen, dass die Schweizer Bäuerinnen und Bauern durchaus in der Lage wären, eine standortgerechte Produktion von Nahrungsmitteln mit artenreichen Lebensräumen zu kombinieren („Brot und Blumen“). Wegen der geringen Anreize sind das bis heute aber Tropfen auf den heissen Stein.

Eine Hoffnung für die richtigen agrarpolitischen Anreize und für die Biodiversität im Landwirtschaftsgebiet bleibt: In den kommenden Wochen wird das Parlament über die Neuausrichtung der Schweizer Agrarpolitik debattieren. „Der Vorschlag des Bundesrates ist ein Kompromiss, der auch der Natur noch eine Chance gibt“ erklärt Werner Müller. „Eine Verwässerung der bundesrätlichen Lösung würde das Aus für weitere Hunderttausende von Feldvögeln und andere Naturwerte bedeuten.“

Der Schweizer Vogelschutz SVS/BirdLife Schweiz und die Schweizerische Vogelwarte Sempach rufen das Parlament dazu auf, in der kommenden Debatte die vom Bundesrat in der Agrarpolitik 2014-17 vorgeschlagenen Verbesserungen ohne Abstriche anzunehmen. 
  

Agrarpolitik soll die grossen Ziellücken schliessen

In der Landwirtschaftspolitik gibt es Ziellücken – doch liegen diese nicht bei der Produktion von Nahrungsmitteln. So wurde im Jahr 2011 so viel produziert wie noch nie, und der Selbstversorgungsgrad liegt seit Jahren trotz Bevölkerungszunahme bei rund 60%. In anderen vom Landwirtschaftsartikel der Bundesverfassung vorgegebenen Bereichen, wie etwa der Biodiversität, gibt es grosse Defizite. Bei der Agrarpolitik 2014-17 geht es keineswegs um eine fälschlicherweise immer wieder genannte Extensivierung, sondern um eine standortgerechte und nachhaltige Produktion. Diese umfasst auch die Erhaltung der Biodiversität. Die Studien zu den Bestandstrends der Vögel zeigen, wie gross die Verluste in den letzten Jahren mit der bestehenden Agrarpolitik waren. Mit der Agrarpolitik 2014-17 sollen vermehrt konkrete Leistungen abgegolten werden, zum Beispiel jene der Bäuerinnen und Bauern für die Biodiversität.

 


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